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Nils Kercher: Can You Smell The Rain (Review)

Artist:

Nils Kercher

Nils Kercher: Can You Smell The Rain
Album:

Can You Smell The Rain

Medium: CD/Download
Stil:

Weltmusikalischer Pop, Folk, Singer/Songwriter

Label: Eigenvertrieb/Ancient Pulse Records
Spieldauer: 48:47
Erschienen: 13.03.2020
Website: [Link]

„Ich habe keine Mission und will keine bestimmten Nachrichten in die Welt tragen. Ich singe Songs über Dinge, die mich beschäftigen.“ (Nils Kercher zu „Can You Smell The Rain“)

NILS KERCHER kann den Regen noch riechen.
Wer von uns kann das noch?
Nimmt sich bewusst die Zeit und Ruhe dazu?
Und schärft seine Sinne, die ihm im stinkenden, krachigen Alltagsmüll auf der Jagd nach materiellen Erfolgen längst abhanden gekommen scheinen? Genauso wie bei dem im Titelsong Can You Smell The Rain besungenen Mann auf der Straße, mit dem teuren Auto und dem dicken Bankkonto, aber der einsamen Seele, die nicht mehr wie ein Wolf zu heulen vermag. Oder die Dame neben uns, die ihre Nasenschleimhäute mit jedem künstlichen, sauteuren Geruch in der Parfümerie verkleistert, statt sich von den Gerüchen der Natur und des Regens berauschen zu lassen.
Und sollte tatsächlich ein so viele in Angst und Schrecken versetzender Virus am Ende dazu führen, dass wir uns zugleich wieder auf das besinnen, was wirklich wichtig ist?

NILS KERCHER riecht nicht nur den Regen. Er komponiert dazu auch Lieder zwischen weltmusikalischer Schönheit und atemberaubenden Melodien, so als hätte sie ihm manchmal ein PETER GABRIEL eingeflüstert. Denn ganz ähnlich wie die Stimme des ersten GENESIS-Sängers strahlt auch Kerchers Stimme in den hohen Lagen eine charismatische Faszination aus, wenn er den von seiner Lebensgefährtin Kira Kaipainen verfassten Texte einen schier ehrfurchtsvollen, besinnlichen Klang verleiht. Zugleich wäre auch „Can You Smell The Rain“ ideal für das von PETER GABRIEL ins Leben gerufene Real World Label, unter dem er Weltmusikalisches und Modernes miteinander vereint und mit die schönsten Alben für alle über den mitteleuropäischen Tellerrand-Gucker veröffentlicht, wie beispielsweise die von YOUSSOU N'DOUR, dem senegalischen Musiker, der in hervorragender Weise in seinen weltmusikalischen Pop-Songs eine ganz ähnliche Atmosphäre wie Kercher auf „Can You Smell The Rain“ verbreitet.

Jedenfalls kann es dem Hörer auf „Can You Smell The Rain” passieren, dass er sich bei dem nachdenklichen Anti-Terror-Song „This Side Of The Road“ atmosphärisch in PAUL SIMONs „Graceland“ und Gabriels „Biko“ wiederfindet oder sich mit „Moonray“ vom natürlichen Zauber der Melodien zärtlich verführen lässt, um am Ende das „Child Who Has No Name“ in und für sich zu entdecken: „My home is at your roots / Your leaves my caring roof“.

Zugleich ist „Can You Smell The Rain“ auch ein Album des offensichtlichen Wandels und der Veränderung geworden, bei dem die bisher für Kercher gewohnte, starke Weltmusik-Orientierung verringert und auf den westafrikanischen orientierten Kehlkopfgesang verstärkt verzichtet wird. Dafür aber hat Kercher die Gitarre – ein ideales Instrument zum Komponieren auch eingängigerer Melodien – wieder für sich entdeckt, die er mit einem ebenso filigranen Gefühl wie ein AL DI MEOLA erklingen lässt, woran seine Lebensgefährtin nicht ganz schuldlos ist: „Kira, meine Partnerin, hatte erwähnt, dass sie die Inspiration hätte, für sich eine Gitarre zu kaufen. Als ich im Internet für sie suchte, habe ich spontan die Idee bekommen, für mich ebenfalls eine zu bestellen. Als Teenager hatte ich meinen Gesang gerne auf der Gitarre meines Bruders begleitet. Als sie dann ankam, entstand schon in der ersten Woche der Song 'Feathers' (der 5. Track auf dem neuen Album). Ich habe den Klang der Kora ja immer geliebt, aber eine Gitarre bietet noch mehr Freiheit, zwischen verschiedenen Tonarten und Harmonien zu wechseln. Und so sprudelten die musikalischen Ideen und neuen Songs in den kommenden Wochen und Monaten aus mir heraus. Es fühlte sich so frisch und neu an! Es war irgendwie gleichzeitig das Entdecken von etwas Neuem und dabei aber auch wie eine Wiederentdeckung von etwas Bekanntem.“

Womit wir auch schon bei den vieldeutigen Texten von KIRA KAIPAINEN und den deutlichen Singer/Songwriter-Allüren wären, durch die NILS KERCHERs Stimme sich voll und ganz entfalten kann, welche sich nunmehr kosmopolitisch geschickt zwischen einem PAUL SIMON, YOUSSOU N'DOUR und PETER GABRIEL bewegt, aber auch weiterhin verhalten auf die hohe gutturale Vokalakrobatik setzt, und auf Kerchers 2020er-Album maßgeblich ins (Über-)Gewicht fällt. Man könnte einfach behaupten, Kira hat so viel zu sagen und Nils hat so viel zu singen (und komponieren) – gibt es eine bessere Verbindung zwischen zwei sich liebenden und wunderschön ergänzenden Menschen, deren geistig-musikalisches Kind dann „Can You Smell The Rain“ heißt?

FAZIT: In diesem Sinne wird aus „Can You Smell The RainNILS KERCHERs modernstes Album, das sich zwischen den Singer/Songwriter-Texten seiner Lebenspartnerin, Pop-Melodien mit Ohrwurmcharakter und westafrikanischer Natürlichkeit bewegt, wobei neben dem großartigen Gesang auch der vielfältige Einsatz traditioneller Instrumente aus aller Welt begeistert. Einerseits ein typisches und andererseits ein ganz anderes als erwartetes NILS KERCHER-Album. Kercher jedenfalls ist einer der besten Weltmusiker aus Deutschland, der im Grunde mit seinen übersprudelnden Kompositionsideen und dem lyrischen Background seiner Partnerin für alles offen ist, nur nicht für glattgebügelten Mainstream und musikmassenkompatible Anbiederei!

PS: Auf meine Frage an NILS KERCHER, warum er auf seinem aktuellen Album einen doch unüberhörbaren Wandel vollzog, hinterließ er mir diese aussagekräftige Antwort, die ich unseren Lesern auf keinen Fall vorenthalten will: „Und so sehe ich es auch, für mich ist es kein Bruch, sondern eher ein Weiterentwickeln von dem, was ich früher schon gemacht habe: meine ganz eigene Musik zu schaffen, die aus ganz unterschiedlichen Quellen gespeist wird. Teil davon ist mein eigener kultureller Background, meine Erfahrung mit klassischer Musik, als Schlagzeuger mit Pop, Funk, Folk, Jazz und Rock und natürlich nach wie vor all die Zeit, die ich in Westafrika verbracht habe. Ich glaube, dass auch früher meine Musik oft viel zu sehr nur in die westafrikanische Ecke gerückt wurde - das lag sicherlich vor allem an den Instrumenten, die zum Einsatz kamen - und natürlich waren viele afrikanische Einflüsse dabei, aber gleichzeitig waren es schon immer meine ganz eigenen Kreationen, ganz egal, wie die Instrumentierung aussah.“

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 4985x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • Can You Smell The Rain
  • I Wish She'd Ask For More
  • This Side Of The Road
  • You Know Who
  • Feathers
  • Time To Shed Our Skins
  • Shadow
  • The Day I Become A Song
  • Moonray
  • Child Who Has No Name

Besetzung:

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